nach anruf rasch in die therapie

zeitungsartikel der rheinzeitung (redakteur frank blum)

Neuwied. Er ist seit 30 Jahren als heilpraktischer Psychotherapeut tätig und weiß, wovon er spricht: Ruediger Herzog weiß, dass viele Hilfesuchenden zu lange auf einen Psychotherapieplatz warten müssen (die RZ berichtete). „Im Kreis Neuwied, wie auch generell im Bundesgebiet, haben wir eine bedenkliche Versorgungssituation, vor allem, was eine zeitnahe Therapieaufnahme betrifft“, sagt er. Wartezeiten bei Kassentherapeuten betragen laut Herzog in der Regel 9 bis 15 Monate. Häufig würden Klienten per Anrufbeantworter mit dem Hinweis, dass man niemanden mehr aufnehmen kann, sofort abgewiesen.

Das will Herzog ändern – und zwar mit einem niedrigschwelligen Therapieangebot. Er will eine offene Therapiegruppe etablieren, in der beispielsweise von Depressionen oder Partnerschaftsproblemen Betroffene sofort einen Platz finden. „Bei Anruf Therapie“ könnte man das Angebot etwas (zu) salopp bezeichnen. „Wöchentlich oder alle zwei Wochen soll es 90- bis 120-minütige Sitzungen geben“, meint der Therapeut. Damit gebe es genug Raum auch für Kriseninterventionen in dringenden Fällen. Je nach Akzeptanz könne man das Angebot auch nach unterschiedlichen Krankheitsbildern aufteilen und erweitern, blickt Herzog voraus.

Ein Hinweis ist ihm jedoch wichtig: „Das Angebot wird nicht von den Krankenkassen bezahlt.“ Heißt: Die Betroffenen müssen einen geringen, an ihre finanziellen Verhältnisse angepassten Eigenanteil zahlen, erhalten dafür aber direkt professionelle Hilfe.

Für den nicht approbierten Humantherapeuten liegt das Problem der langen Wartezeiten allgemein an der „eindimensionalen Ausrichtung und dem Lobbyismus von Ärzten, Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung“ und im Spezifischen an Inhalten und Ausgestaltung des Psychotherapeutengesetzes. Herzog, der die alternative Ebene vertritt, sagt: „Mit dem Erlass des Psychotherapeutengesetzes von 1999, das eine Verbesserung der Versorgung sicherstellten sollte, ist eine Aufsplitterung der in der Psychotherapie Tätigen einhergegangen.“ Der damalige Ansatz, „Keine Schlupflöcher für Scharlatane“, sei zwar an sich richtig gewesen, doch habe er auch dafür gesorgt, dass früher in der Therapie Arbeitende wie diplomierte Sozialarbeiter, Soziologen oder Theologen nicht mehr ohne Weiters mit den Krankenkassen abrechnen konnten. Sie erhielten in der Regel keine Zulassung mehr.

So wie Herzog, ein diplomierter Sozialpädagoge mit einer fünfjährigen zusätzlichen Psychotherapie-

„Im nicht approbierten Berufsfeld finden sich viele innovative, humanistische und effektive Therapieansätze und -formen.“

Psychotherapeut Ruediger Herzog

ausbildung zum Transaktionsanalytiker sowie amtsärztlicher Überprüfung und Zulassung als Heilpraktiker für Psychotherapie. Eine Situation, die er als Politikum bezeichnet: „Es geht leider nur um Lobbyismus und Monetäres. Dabei sollte es uns allen wahrhaftig um echte Linderung von psychosozialem Leid gehen. Dies sollte unabhängig von therapeutischen Schulen und Interessen von Berufsverbänden gestaltet werden.“

Betroffene konnten nach der Gesetzesänderung fast nur noch die von Kassen anerkannten Therapeuten aufsuchen. Die Folge: Bei steigendem Bedarf sank die Auswahlmöglichkeit, die wenigen kassenärztlich anerkannten Praxen sind überlaufen. „Eine absurde Situation“, meint der auch als Musiker bekannte Herzog, die sich zuspitzt, da nach seiner Meinung Kassen nur auf die Approbierten hinweisen, nicht aber auf die Alternativen. Es gebe eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, hier die kassenärztlich Anerkannten, dort die nicht Approbierten.

Dabei stellt eine Approbation laut Herzog nicht zwingen ein therapeutisches Qualitätsmerkmal des Behandelnden dar. „Im nicht approbierten Berufsfeld finden sich viele innovative, humanistische und effiziente Therapieansätze und – formen wie die Gestalttherapie, die klassischen Schulen, wie die Psychoanalyse weiterführen und modifizieren. Deren Ansatz ist ganzheitlich, aufdeckend und philosophisch, er unterstützt die Selbstheilungkräfte des Leidenden,“ unterstreicht der Experte. Auf Selbstverantwortung zu setzen, sei ein nicht unerheblicher Aspekt in der Arbeit mit Leidenden und

speziell mit Menschen, die eine depressive Haltung als Lebens- oder Ersatzweg ausgebildet haben.

„Wir müssen wegkommen von eindimensionalen, in der Regel auf medikamentöser Behandlung basierenden Drehtür-Therapien, hin zu einer die wahren Ursachen einer Krankheit aufdeckenden Psychotherapie“, postuliert Herzog, der in seiner Praxis für Kriseninterventionen immer Therapieplätze freihält.

Vielen Menschen mit psychischen Handicaps sei nicht bekannt, dass sie eine Behandlung bei einem nicht approbierten Psychotherapeuten machen können. Nach einer Reihe erfolgloser Anrufe auf der Suche nach einem Therapieplatz würden Betroffene erst spät auf diese Möglichkeit aufmerksam. Das Problem dabei: Die Kassen übernehmen nur in sehr seltenen Fällen die Kosten. „Wenn die Betroffenen das merken, werden sie sehr unsicher und mutlos“, hat Herzog festgestellt. Das ändere sich erst, wenn man Betroffenen erläutere, dass Therapiestunden keine Hunderte von Euro kosten, sondern im erschwinglichen Rahmen liegen, je nach Intensität und Frequenz der Therapieeinheiten.

Der Therapeut betont im Gespräch mit der RZ, dass er mit seiner Darstellung der Dinge „niemanden anprangern“ möchte, sondern nur auf Tatschten aufmerksam machen möchte, um allmählich zu einer „humanistischeren Haltung auch in der psychotherapeutischen Landschaft zu kommen“.

originalartikel ansehen (PDF)